Next:Das
NetzwerkmodellUp:Das
semantische LexikonPrevious:Das
semantische Lexikon
Das Merkmalmodell
Dieses Modell (vgl. SMITH et al. 1974) beinhaltet die bereits unter der
klassischen Merkmaltheorie angeführte Behauptung, daß Wörter
aus einem gemeinsamen Vorrat an universal semantischen Primitiva gebildet
werden und verwandte Wörter gemeinsame Merkmale besitzen. Hinsichtlich
der Wertigkeit dieser Merkmale besteht ein Kontinuum, d.h. es gibt keinen
prinzipiellen oder formalen Unterschied zwischen ihnen, vielmehr kann selbst
bei nah verwandten Konzepten, die zahlreiche Merkmale teilen, ein und dasselbe
Bedeutungsmerkmal im einen Fall zentraler sein als im anderen. Welchen
Rang ein bestimmtes Merkmal einnimmt, bemißt sich am Grad seiner
Relevanz für das betreffende Konzept. Untersuchungen bestätigen
die Annahme, daß menschliche Konzepte nicht nur hierarchisch organisiert
sind, sondern, wie bereits kurz vorher ausgeführt wurde, innerhalb
einer semantischen Kategorie manche Konzepte prototypischer sind als andere
(vgl. ROSCH et al. 1976). Im Prozeß der Sprachverarbeitung werden
die Bedeutungen der in der Äußerung enthaltenen Wörter
aus ihren semantischen Merkmalen berechnet. Semantische Ähnlichkeiten
zwischen den Wörtern ergeben sich schließlich aus dem Vergleich
dieser Merkmale. Das Merkmalmodell impliziert somit, daß bei der
Verarbeitung eines Wortes alle seine semantischen Merkmale mitverarbeitet
werden müssen, und fordert damit eine komplexere, aufwendigere, aber
auch tiefere semantische Verarbeitung als sein Konkurrent, das Netzwerkmodell.
Vor diesem Hintergrund steht das Merkmalmodell in enger Verbindung
zu den naturwissenschaftlichen Theorien. Diese Theorien legen dem Aufbau
unserer Welt ebenfalls kleinste, nicht weiter spaltbare physische Elemente
zugrunde. Daher spricht AITCHISON (1997:93) auch von
Sprachatomen
in ``unserem Kopf''. Ihr sogenannter ``Atomkügelchenansatz'' besagt
in Analogie zur Merkmaltheorie, daß die Wörter
aus einem gemeinsamen Vorrat an ``Bedeutungsatomen'' gebildet
werden und verwandte Wörter gemeinsame Atome besitzen.
(AITCHISON 1997:94)
Anhand von Experimenten zum Wortverstehen versuchen Forscher den ``Sprachatomen''
auf die Spur zu kommen. Bei angenommener psychologischer Realität
der semantischen Primitiva müßte man davon ausgehen, daß
man sie jedesmal neu zusammensetzen muß, wenn man sie bei der
Sprachproduktion verwendet, und in ihre Bestandteile zerlegen, um sie verstehen
zu können (AITCHISON 1997:99). Einfach strukturierte Wörter
müßten schließlich schneller im Gehirn verarbeitet werden
als Wörter, die aus mehreren Bedeutungskomponenten zusammengesetzt
werden, denn letztere verbrauchen durch die höhere Anzahl an aufzuspaltenden
Merkmalen mehr Zeit. So kann angenommen werden, daß beispielsweise
das Merkmal
nicht verheiratet sein schneller im Gehirn verarbeitet
und verstanden wird als das Wort Junggeselle, welches sich aus mehreren
zuzüglich dem angeführten Merkmal als notwendige Bedingung zusammensetzt.
Durch die Experimente zum Wortverstehen konnte aber schließlich weder
nachgewiesen noch widerlegt werden, daß beim Verstehen Wörter
im Gehirn in einzelne Bestandteile zerlegt werden. Hinsichtlich der ``Atomkügelchen
in unserem Kopf'' sei auf das von Jean Aitchison zitierte Problem in PULMAN
(1983:31) hingewiesen, das darin besteht, den schlüssigen Beweis
dafür zu erbringen, daß etwas nicht vorhanden ist.
Next:Das
NetzwerkmodellUp:Das
semantische LexikonPrevious:Das
semantische Lexikon
Sun Jan 30 19:15:22 MET 2000